Im letzten Kriegsjahr 1945 In dem rheinhessischen Marktflecken Guntersblum, in den die Familie während des Krieges evakuiert war sagte Vater Reith, Kaufmann und klassischer Amateur-Violinist zu seiner Frau Hilde, einer ausgebildeten Sopranistin: „Wir sollten dem Bub Klavierunterricht geben lassen, dann kann er Dich und mich begleiten“. Es war nämlich eine Klavierlehrerin aus Mainz auch in den gleichen Ort verschlagen worden, und die hätte dann doch die Aufgabe den 7-jährigen Dieter zu unterrichten. Gesagt, getan und fortan hangelte sich Klein-Dieter zuerst am Klavier und dann an seiner Karriere langsam und stetig empor ohne damals schon zu wissen, dass dieser schwarze Kasten einmal sein Lebens-Werkzeug werden könnte.
Zur Schule gehen war damals schon nur eine Notwendigkeit, Klavierspielen wurde aber mehr und mehr zu einem Lebenselixier für den Kleinen, der erst einmal nach der Heimkehr von der Schule mittags seinen Ranzen in die Ecke warf und sofort an’s Klavier stürzte, um sich den Schulfrust von der Seele zu spielen. Manchmal stundenlang. Damals musste er es noch tun mit vorgegebenen Werken von Mozart, Beethoven, Schubert, spielte Menuette, Sonaten oder den FRÖHLICHEN LANDMANN, erst langsam und dann immer schneller bis man Freunden und Besuchern Klein-Dieter sein „Erübtes“ präsentieren lassen konnte. Und die fanden das toll: „Der Kleine wird mal ein ganz Großer...“ So groß wurde er nicht, am Ende waren’s 171cm, aber das reichte.
Die schulischen Leistung litten natürlich unter dieser Klavierspiel-Manie und bald fand der Vater heraus , dass die größte Strafe für den Sohn war, das Klavier abzuschließen. Das tat er dann auch, manchmal eine Woche oder zwei, das höchste waren drei.
Aber Klein-Dieter war erfinderisch, denn er wusste, im Dorf hatten Bauern Klaviere stehen. Manche standen in der Scheune und waren Tauschergebnisse, die ihnen von vertriebenen Menschen gegen Nahrungsmittel gegeben worden waren – ein Klavier für ein Pfund Butter.
Der Bub spielte sich dann auf einem meist verstimmten Instrument seine Spielfreude aus dem Leib und der Vater wusste nichts davon. Wenn die Mutter ihren Sohn suchte wusste sie schon wo sie anrufen musste und dann sagte die Frau am anderen Ende: „Hören Sie mal...“ hielt den Hörer aus dem Fenster und Mutter hörte Klein Dieter auf dem in der Scheune stehenden Klavier den FRÖHLICHEN LANDMANN spielen oder irgendwas anderes.
Es blieb natürlich nicht bei der mehr oder minder gut interpretierten Musik klassischer Komponisten, denn der Klavierschüler Dieter hörte in dem damaligen berühmten amerikanischen Rundfunksender AFN, Jazz-Musik, die ihn faszinierte und die ihn veranlasste auf dem Klavier an üblichen rein klingende Akkorden herumzuschrauben und festzustellen, dass in einem C-dur Akkord neben C,E,G auch ein A möglich war.
Mit dem „A“ war’s natürlich nicht getan, denn da passten ja noch ganz andere Töne hinein, die man bei Mozart oder Bach nicht finden konnte. Von da ab ging Dieters Denken in die andere Richtung. „Jatz-Musik“ sagte sein Vater, „Negermusik“ sagten die alten Opas, die diese Klänge verachteten. Dieter ließ sich nicht beirren, kaufte sich von seinem Taschengeld seine erste Platte, eine 45-er EP mit Miles Davis. DIDN’T WE war auf der einen Seite und A GAL IN GALLICO auf der anderen, bei dem ihm der Pianist so gut gefiel. Red Garland war das, dessen Akkordspieltechnik er später begann nachzuspielen. Zwischenzeitlich war die Familie nach Mainz gezogen. Dieter ging dort auf’s Gymnasium, und einen Jazz Club gab’s da auch: die „Katakombe“. Da traf er tolle Musiker, die in den umliegenden amerikanischen Militär-Basen stationiert waren und oft in den dazugehörigen Militär-Bands spielten. Saxophonisten, Trompeter, Bassisten, Schlagzeuger und Klein Dieter erfuhr dort unter anderem, dass ein Blues 12 Takte hat und dass „Blues“ nicht etwa hieß, dass das Stück im langsamen Tempo gespielt werden muss. Vater Reith durfte natürlich nicht wissen, dass sein Sohn da rumjazzte, in kurzen Hosen zusammen mit teilweise schwarzen Musikern und Typen, die sich mit Pervitin vollstopften und merkwürdiges Zeug rauchten.
Neben seiner Schule gründete er dann eine 4 Mann-Band, das BOB-MARTIN-Quartett, das er so nennen musste, damit Papa Reith nichts davon mitbekam. Mit dieser Band nahm er an einem Jazz-Wettbewerb im Fernsehen teil. Der wurde vom Hessischen Rundfunk produziert und fand mittags um 16 Uhr statt. Alle Freunde sassen in Mainz im Eiscafe Dolomiti vor dem Fernseher herum und freuten sich, dass das BOB MARTIN-Quartett den zweiten Preis bekam. Das stand dann am nächsten Tag in der örtlichen Zeitung, die besonders hervorhob. dass das BOB MARTIN QUARTETT unter der Leitung des Mainzers Dieter Reith stand. Ein Freund des Herrn Reith senior beglückwünschte ihn ob des grossen Erfolgs seines Sohnes im Fernsehen. Der wusste aber nichts davon und prompt bekam Dieter zur Strafe das Klavier abgeschlossen. Für 3 Wochen, die berühmten 3 Wochen von denen vorher schon die Rede war. Wenig später hatte Vater Reith überall rumerzählt: „Stellen Sie sich mal vor, der Junge hat im Fernsehen gespielt, mir nichts gesagt...und sogar den ersten Preis gemacht“. Der zweite Platz war ihm dann nicht mehr gut genug.
Das Abitur musste trotz aller Freude am Jazz jedoch gemacht werden, denn aus dem Sohn musste ja „was werden“. Aus Gründen, die hier im verborgenen bleiben sollen, musste der Bube die Schule wechseln und so machte er sein Abitur in Wiesbaden.
Was sollte man nun mit diesem Sohn machen? Man entschloss sich, ihn etwas werden zu lassen, was seinem musikalischen Eifer und seinem Interesse an technischen Dingen entsprach: Tonmeister, war wohl das geeignete, der Vermittler bei Tonaufnahmen zwischen Interpret und technischer Anforderung im Studio. Dazu musste man damals Musikwissenschaft und ein wenig experimentelle Physik studieren.
Das tat er in Mainz und in Köln. Heute kann man das in einem einzigen Studiengang an Hochschulen wie beispielsweise in Detmold erlernen. Köln hatte natürlich auch eine Jazzszene und die Verführung lieber dort jazzen zu gehen als zu studieren lag nahe. Im KINTOPP SALOON in der Zülpicher Strasse trafen sich damals alle Jazzgrössen und besonders solche, die bei Kurt Edelhagen im Orchester spielten: Derek Humble, Jimmy Deuchar, Jonny Fischer und viele andere. Erstmals traf er da auch seinen Kollegen, den Trompeter Manfred Schoof mit dem er heute noch Kontakt hat. Der Name Edelhagen und das Phänomen Big Band, hatte Jung-Dieter damals schon fasziniert, und er wünschte sich nichts mehr, als eines Tages mal in solch einem Orchester spielen zu dürfen.
Während eines zu dem Studium gehörigen Praktikum bei der Firma Siemens in Karlsruhe erfuhr er, dass die Big-Band des SWF in Baden-Baden einen Pianisten suchte. Da gab’s ein Probespiel das man absolvieren musste und Dieter war einer von 19 Pianisten, die sich da bewarben und er bekam die Stelle. Der junge Nobody war plötzlich umlagert von den Musikern des SWF-Tanzorchesters, die alle fragten: „Und wann können Sie bei uns anfangen?“ Natürlich sofort! Und aus war’s mit dem Studium. Das dem Vater beizubringen war ein besonderes an anderer Stelle zu behandelndes Kapitel.
Endlich das, was der Junior immer schon wollte: Musik machen. Nicht nur spielen, auch komponieren und arrangieren – und das alles bestimmte nun das neue Leben von Dieter Reith ab dem Jahre 1961.
Er blieb im SWF Tanzorchester 10 Jahre, lernte dort viele Künstler kennen für der er arrangierte und musizierte wie Caterina Valente, Maynard Ferguson, Frank Rossolino, Toots Thielemans und viele andere. Peter Herbolzheimer tauchte da auf und gründete in Baden-Baden seine RHYTHM COMBINATION AND BRASS bei der Dieter unter außergewöhnlichen Umständen anfing Orgel zu spielen und dann...rief eines Tages Kurt Edelhagen an und fragte ihn: „Wollen Sie bei mir einsteigen?“ Reith sagte: „Ja, ja, ich bin der Kaiser von China“, weil er nicht glauben wollte, dass sein grosses Big-Band-Idol am anderen Ende der Leitung war. Und doch, er war’s und ein grosser Traum ging in Erfüllung: Er wurde doch tatsächlich Pianist und Organist in dieser Band.
Dass das Idol im Laufe der Zeit und während des Umgangs mit ihm anfing zu bröckeln war nicht vorauszusehen. Aber allein die Tatsache, mit so tollen Musikern wie Ronnie Stephenson, Wilton Gaynair, Karl Drewo oder Benny Bailey und anderen spielen zu können, war einfach phänomenal und spornte zu spielerischen Höchstleistungen an. Und dann kam dieser Riesenauftrag, die Olympia-Einzugsmusik 1972 für München zu komponieren, zusammen mit Herbolzheimer und Jerry van Rooyen, dem wunderbaren Arrangeur und Bruder des nicht minder wunderbaren Flügelhornisten Ack van Rooyen. Ein warmer Geldregen kam dann endlich einmal über Dieter hereingefallen, der in dieser Hinsicht bisher nicht unbedingt ein glückliches Finanzhändchen hatte.
Sein Wechsel nach Stuttgart hatte in erster Linie private Gründe, denn er lernte dort eine Frau kennen, die später und bis heute die Seine ist. Viele Fernsehauftritte, die man alle hier auf dieser Website finden kann, wurden bei ihm in Auftrag gegeben, denn sein Name war längst in der Branche herumgegangen.
Eines ist sicher: Der Wechsel vom studierenden Dieter zum musikmachenden Dieter war das klügste und beste, was er machen konnte – denn Musizieren macht ihm bis heute Freude und bestimmt auch weiterhin sein Leben.
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